Gute Arbeit!

PD Dr. Jens Soentgen, Wissenschaftszentrum Umwelt, Augsburg

„Wir müssen uns einschränken.“

    PD Dr. Jens Soentgen, Wissenschaftszentrum Umwelt, Augsburg

„Wir müssen uns einschränken.“

    „Naturwissenschaft macht glücklich“, schreibt Jens Soentgen in seinem 2010 erschienen Buch Von den Sternen bis zum Tau, Eine Entdeckungsreise durch die Natur.“ Er reist dabei „quer durch“, vom Makrokosmos bis zum Mikrokosmos. An der Universität Augsburg leitet er das Wissenschaftszentrum Umwelt und betreibt seine anwendungsbezogenen Forschungen auch hier „quer durch“, nämlich am liebsten durch alle Disziplinen. Wir treffen Jens Soentgen in seinem Büro im INNOCUBE der Augsburger Universität.

GA: Herr Dr. Soentgen, Sie leiten das Wissenschaftszentrum Umwelt hier in Augsburg. Was genau machen Sie? Was ist Ihre Arbeit?

Wir betreiben Umweltforschung und zwar disziplinübergreifend, also nicht nur aus naturwissenschaftlicher Perspektive, sondern möglichst Umweltforschung, bei der ein Naturwissenschaftler mit einem Philosophen zusammenarbeitet, oder mit einer Sozialwissenschaftlerin, ein Atmosphärenphysiker mit einer Ethnologin oder einem Historiker. Wir arbeiten daran, so eine Art von Forschung hier zu initiieren, zu fördern und zu verwirklichen, weil sich Umwelt nicht nur aus einer einzigen Perspektive verstehen lässt.

Wir wollen aber nicht nur im wissenschaftlichen Kontext forschen, sondern ausserdem damit ganz konkret etwas bewirken. Wir arbeiten sehr eng mit anderen Institutionen wie z.B. dem Deutschen Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München zusammen, um eben einen direkten gesundheitlichen Nutzen für die Gesellschaft aus unserer Forschung heraus zu entwickeln. Dafür brauchen wir die Kraft aller Disziplinen.

GA: In Ihnen selbst tobt ja auch die Kraft aus mindestens zwei sehr verschiedenen Disziplinen. Wie kam es zu Ihrer sehr besonderen Positionierung?

Richtig, genau. Ich habe Politik und Philosophie studiert, ausserdem eben Chemie, in Chemie auch Staatsexamen gemacht und in Philosophie dann promoviert. Das ist eine nicht so häufige, aber für mich sehr schöne Kombination. Wenn ich mich mit Natur und Umwelt beschäftigen möchte, muss ich naturwissenschaftlich schon kompetent sein, ich muss hier heute auch naturwissenschaftliche Forschung einschätzen und leiten können, aber aus meiner Sicht reicht das eben nicht. Wir müssen uns auch fragen, was ist denn Natur eigentlich für uns? Was ist das für ein Begriff? Wir müssen lernen, daß das auch eine Konstruktion ist, da sind dann eher geisteswissenschaftliche Kompetenzen gefragt. Wir haben damit umzugehen, dass Menschen sich unter dem Begriff Natur ganz unterschiedliche Dinge vorstellen, ganz verschiedene Ideen im Kopf haben. Für manche ist nur eine völlig unberührte Natur eine gute Natur. Da benötigen wir schon die Fähigkeiten der Geisteswissenschaftler, um solche Konzepte kritisieren zu können – damit wir endlich wirklich Fortschritte machen.

GA: Sie haben mit einer Arbeit zur Phänomenologie des Unscheinbaren promoviert, sich in Ihrer Forschung sehr viel mit Staub beschäftigt. Was lässt sich darin erkennen?

Staub ist eigentlich Zeugnis der Schönheit unserer Welt. Alles staubt. Die Natur staubt. Die Bäume jetzt im Frühjahr produzieren Staub. Das Meer staubt. Es wirft Salzkristalle in die Luft. Staub lehrt uns, die Dinge in einem grösseren Zusammenhang zu betrachten. Wenn in der Sahara Staub aufgewirbelt wird, finden wir den gerade im Mai hier bei uns in Süddeutschland in unseren Filtern.

Es ist sehr feiner Staub, aber nicht so fein wie der, den wir Menschen in die Umwelt abgeben. Das ist der Staub mit dem wir uns hauptsächlich beschäftigen, weil der gesundheitlich relevant ist. Wir sammeln Staub an Menschenplätzen, in den Städten. Menschenplätze, das sind immer Feuerplätze. Wo wir leben, stammt der Staub zum allergrössten Teil aus Verbrennungsprozessen. Fast alles, was wir tun ist mit Verbrennungsprozessen gekoppelt.

GA: Man kann das so genau unterscheiden? Natürlicher Staub ist anders als von Menschen produzierter Staub?

Ganz genau. Das Zeichen des Menschen ist das Feuer. Wenn wir in den Städten messen, sind die Filter grau. Das sind die Rußpartikel der menschlichen Feuer. Wenn wir die Heizung anwerfen, sobald wir mit dem Auto fahren, den Zündschlüssel umdrehen, immer setzen wir irgendwo ein Feuer in Gang. Diese Feuer sind meist verkapselt, man sieht sie nicht mehr. Wenn wir unser Smartphone einschalten, brennt das Feuer sogar in weiter Entfernung, in einem Kraftwerk, es erzeugt die Energie, die wir zum Telefonieren benötigen. Ganz abgesehen von den Bauteilen unserer Telefone, die alle synthetisch sind. Kunststoffe, Metalle, Glas – alles stellen wir durch Feuer her. Wir benötigen Temperaturen von 1400 Grad Celsius und mehr. Diese Feuer, die unseren hochtechnisierten Lebensstil ermöglichen, brennen auch wenn wir das nicht mehr wahrnehmen – in unseren Filtern werden sie offenbar.

Wir sind immer noch die alten Feuermacher, nur auf einem technisch erheblich erweiterten Niveau. Wir glauben, alles sei sauber, aber in diesem Staub, diesem Dreck auf unseren Filtern sieht man: Hier brennt es überall.

GA: Machen wir also viel zu viel Feuer?

Ja, wir müssten deutlich vernünftiger mit unseren Brennstoffen umgehen und auch mit den Feuern, die wir entfachen, denn das was wir hier sehen, in unserem Staub, das sind ja noch Festkörper, das ist Ruß, eigentlich ein Zeichen für eine unvollkommene Verbrennung. Das wirkliche Endprodukt jeder vollkommenen Verbrennung ist CO2, ja, Kohlendioxid – und wie jeder weiß, steigt der CO2 Gehalt in der Luft, und zwar stetig. Es sind gewaltige Mengen, die die Menschheit der Atmosphäre zufügt. CO2 ist die Asche aller Feuer und das zeigt: Wir brennen in einem nie dagewesenen Ausmaß.

GA: Wenn wir Menschen unsere Feuer auch als Ausdruck unserer Geisteskraft, unserer Leidenschaft, unseres Hungers und unserer Gier ansehen, als Sinnbild unseres Eifers auf dem Weg zum Fortschritt, müssen wir das auch so verstehen, oder verstehen Sie das so, dass wir Menschen diese Feuer dann maßvoller einsetzen müssen? Oder müssen wir nur anders verbrennen?

Ich glaube niemand kann etwas gegen unsere sogenannten inneren Feuer hervorbringen, unser Glühen für neue und bessere Ideen. Im Gegenteil. Davon brauchen wir viel mehr, wenn wir neue Wege gehen wollen.

Wir brauchen viel mehr Leidenschaft, insbesondere für Natur und Umwelt und für erheblich verbesserte Beziehungen zu allen anderen, nicht menschlichen Geschöpfen. Gegen solches Feuer würde ich mich niemals wenden, sondern ich glaube, daß das etwas ganz Wertvolles und Wesentliches für uns Menschen ist.

Es ist mehr dieses gedankenlose Verbrennen von Dingen, die teilweise Millionen von Jahren benötigten, um zu entstehen, um dann von uns in wenigen Monaten geradezu abgefackelt zu werden. Erdöl, fossile Brennstoffe, wie Steinkohle, Braunkohle, Erdgas. Das ist es, wogegen ich kämpfe, weil die direkten und indirekten Folgen dieser gewaltigen Verbrennungsprozesse uns alle jetzt schon treffen, sei es durch den Klimawandel, sei es durch die Schädigung unserer Luft, unseres Lebensraumes.

Da müssen wir an die Ursachen der Probleme, anstatt immer nur die Symptome zu behandeln. Da müssen wir unseren Lebensstil anpassen, vernünftiger und auch – in der Tat – etwas bescheidener gestalten. Wir müssen uns einschränken. Jetzt schon. Ab sofort.

GA: Welchen Rat können Sie aus wissenschaftlicher Sicht unserer Gesellschaft oder auch jedem Einzelnen in Bezug auf eine sinnvolle Veränderung unseres Lebensstils geben?

Jeder Einzelne ist wichtig und alles fängt im Kleinen an. Jeder sollte versuchen, sein Bewusstsein, seine Umweltwahrnehmung zu entwickeln, zu schärfen. Das geht auch ganz einfach. Mal wieder die Schuhe ausziehen, Kontakt zur Natur aufnehmen. Naturkontakt ist grundsätzlich wohltuend und gesund, man kommt dabei auch mit sich selbst in Verbindung und entwickelt eine gewisse Aufmerksamkeit, eben ein Bewusstsein für den eigenen Lebensraum. Das ist der Grundstein für die notwendige positive Veränderung, auch wenn wir das langfristig sehen und vielleicht über Generationen hinweg wieder-erlernen und weiterentwickeln müssen.

Es tut also nicht nur der Gemeinschaft, sondern auch jedem Einzelnen gut, seine Haltung, seinen Konsum zu überdenken und zu beeinflussen, aber das wird nicht reichen. Ethischer Konsum ist nicht die Lösung unserer Umweltprobleme, das ist zu kurz gegriffen.

Wir brauchen ebenso entschlossene Politik. Ganz konkrete, konsequente Maßnahmen, Gesetze und Zielvereinbarungen, die strukturelle Veränderung bewirken. Auch dafür kann jeder Einzelne kämpfen, jedes Unternehmen, jede Institution.

Wir tun das auch. Wir nehmen unsere Ergebnisse und tragen sie in die Politik. Unsere Studien liegen dann politischen Entscheidungsprozessen zugrunde. Wir beraten z. B. das Bayerische Landesamt für Umwelt, wir sind eine unabhängige Informationsquelle für Journalisten, wir publizieren. Wir forschen, aber wir sprechen auch und das ist wichtig.

Wir als Menschen, als gesamte Gesellschaft, müssen politisch sein, ganz klar das Feuer entfachen, mit grosser Leidenschaft innovativ zu sein, kluge Ideen zu entwickeln, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und uns gemeinsam auf einen besseren, nachhaltigeren Weg zu begeben.

Sarah Ihlenfeld, Gestüt Lindenhof, Rohrlack

„Bestimmen ist nichts für mich.“

    Sarah Ihlenfeld, Gestüt Lindenhof, Rohrlack

„Bestimmen ist nichts für mich.“

    „Shining Star“ steht auf ihrem T-Shirt. Sarah Ihlenfeld lächelt ein wenig schüchtern. Es riecht nach frischem Heu und nach den schönen Pferden, die, nahezu unsichtbar, im fast unbeleuchteten Stall stehen und ruhig vor sich hin kauen. Durch die Oberlichter fällt milchiges Sonnenlicht auf Teile ihrer Mähnen, darunter erkennt man schemenhaft die muskulösen Körper. Ihlenfeld legt ihren Kopf an den Hals der Stute, die sie gerade bürstet. „Der Stall,“ erklärt sie, „ist der Ort, wo man wirklich mit den Pferden ist, wo man die Nähe spürt.“

„Mädchen und Pferde, das ist nur eine Theorie. Ich kenne auch genug Kerle, die nicht von den Pferden lassen können.“ Ihlenfeld legt lachend ihre Werkzeuge auf einen brusthohen Heuballen, macht ein paar Notizen in ihrem Tagesplan. Ihr Mobiltelefon liegt daneben auf dem Display, sie rührt es nicht an, nicht einmal mit einem Blick. „Wir suchen alle die Liebe zum Tier.“

„Ich bin jetzt 19“

Schon im Alter von 5 Jahren, daran kann sie sich gut erinnern, hat sie entdeckt, wieviel Freude es ihr bereitet, zu reiten, draussen zu sein und für Tiere zu sorgen, mit ihnen zu arbeiten, mit ihnen zu leben. „Es ist ein wunderschönes Gefühl für mich, nah bei einem Pferd zu sein, zu wissen, es fühlt sich mit mir wohl und vertraut mir voll und ganz. Das Loslassen zu spüren, wie es den Kopf entspannt, wie kein einziger Muskel zuckt, das versetzt mich in grosse Freude , das ist die Erfüllung für mich.“ Vor gut 2 ½ Jahren hat Ihlenfeld sich entschieden, hier in Rohrlack in der Nähe von Neuruppin, in der Obhut des Gestüts Lindenhof, eine 3-jährige Ausbildung zur Pferdewirtin zu absolvieren.

In Theorie und Praxis lernt sie alles, was man benötigt, um Pferde züchten und pflegen zu können. 2 Wochen auf dem Gestüt, dann 2 Wochen Schule. Immer im Wechsel. „Zäune kontrollieren, Futter, Wasser, jeden Tag schauen wie es den Pferden geht,“ erzählt sie. Dabei sei im Prinzip „alles, was das Pferd braucht“ Teil ihrer Aufgabe, ihres Jobs. Ihre Entscheidung, diesen Weg zu gehen, die Familie, die Freunde zumindest zeitweise in Berlin zurückzulassen, ist ihr sehr schwergefallen. „Es hat mich viel Mut und Überwindungskraft gekostet, meine Mama hat mich bestärkt, meine Freunde haben mir alle abgeraten. Die wollten nicht, dass ich weggehe. Aber ich habe es doch gemacht.“

„Wenn ich kein Geld bräuchte, würde ich das Gleiche tun.“

„Hier eine Ausbildung machen zu können, war ja im Grunde die Erfüllung meiner Träume. Ich habe ein Praktikum gemacht, eine Woche – und sofort angenommen.“ Ihlenfeld klettert auf einen Traktor und dreht den Zündschlüssel um. Es folgt eine Fahrt mit blinzelnden Augen und wehendem Haar durch die blendende Julisonne.


„Natürlich war das eine Berufswahl, eine wichtige Entscheidung für mich. Ich werde meinen Lebensunterhalt mit einer Arbeit verdienen, die ich auch ohne Bezahlung sehr gerne jeden Tag verrichten würde.“ Eine Win – Win Situation sei das, sie habe damit einfach „doppelt gewonnen.“ So viel Glück, findet sie, „konnte ich nur haben, weil ich den Mut aufgebracht habe, meiner inneren Stimme zu folgen. Man muss auf sein Bauchgefühl hören.“

„Shoppen gehe ich selten.“

Das sie in Rohrlack auf dem Lindenhof am richtigen Ort für sich ist, das merkt Ihlenfeld jedesmal wieder aufs Neue, wenn sie nach 2 Wochen Schule hierher zurückkehrt: „Ich bin viel mehr draussen, frische Luft, Sonne, ich ernähre mich automatisch ganz anders, habe andere Bedürfnisse. Gar kein Fast Food, viel mehr Knäckebrot und Selbstgemachtes. Ich koche mir jeden Tag etwas, lebe viel gesünder.


Ich habe hier auch Internet, aber nutze es gar nicht. Ich vergesse ständig mein Handy. Ich komme völlig zur Ruhe mit meiner Arbeit.“ Wunschlos glücklich sei sie dann, berichtet sie: „Geld brauche ich kaum für mein Leben. Ich kaufe nur ein, wenn ich mal etwas brauche – das kommt nicht oft vor. Ich habe noch nie viel gebraucht, war schon immer sehr ruhig. Aber hier gelingt mir das wirklich sehr gut – ich muss mit den Dingen, die mich umgeben verbunden sein, um das Gefühl geniessen zu können, dass ich nichts brauche.“

„Pferde verkaufen, das könnte ich nicht.“

Perspektive? „Ich mache mir gar keine Sorgen, lasse das Leben einfach auf mich zukommen. Solange ich mich wohlfühle mache ich mir nicht so die Gedanken. Ich suche auch keine Veränderung, schon gar keinen Aufstieg oder eine Führungsposition.

Bestimmen ist nichts für mich, ich habe dafür nicht so die Worte. Ich habe auch gar kein Bedürfnis zu leiten, zu führen, ich mag es lieber, wenn jemand anders führt und zum Beispiel die betriebliche Verantwortung übernimmt. Zahlen, das Wirtschaftliche, das interessiert mich nicht so sehr, dass ich das überhaupt machen möchte. Viele betriebliche Aufgaben haben ja auch gar nichts mit den Tieren zu tun, ganz im Gegenteil. Da sitzt man am Schreibtisch und muss schauen, dass man seine Pferde verkauft. Das könnte ich gar nicht. Das würde mich krank machen.“

„Arbeit bedeutet für mich Freude.“

Glück und Ruhe erlangt Ihlenfeld also sowohl durch ihre mutige Entscheidung für das Richtige, als auch durch die innere Beschränkung darauf.

„Ich bin so sehr glücklich,“ ist sie sich gewiss, „ich weiss, was ich zu tun habe, ich weiss, dass es sinnvoll ist und ich weiss, dass es mich zufrieden macht. So stehe ich jeden Tag morgens auf. Ich weiss, was ich machen werde und welches Glück das für mich ist. Ich liebe meine Arbeit, ich muss mit den Tieren sein.“ SJ