Gute Arbeit!

Ana Lapa, Hebamme, Berlin

„Es hat eine ganz eigene Schönheit.“

    Ana Lapa, Hebamme, Berlin

„Es hat eine ganz eigene Schönheit.“

    Ana Lapa hat Nachtdienst. Drei Hebammen betreuen die Kreißsäale und haben sich ihre Aufgaben per Losentscheid zugeteilt. Ana wird diesmal die Aufnahme betreuen und sich um die Frauen kümmern, die mit Wehen, Blutungen und Schwangerschafts-beschwerden aller Art ins Krankenhaus kommen. Ganz in blau hockt sie im Neonlicht und flüstert uns leise und mit zarter Heiserkeit ihre Geschichte zu.

„Ich bin schon stolz darauf, wieviele Kinder in meine Hände geboren sind. Mehr als 1000. Ganz viele Menschen.“ „Verrückt“ sei das, findet Ana Lapa, die als Hebamme unter anderem an der Charité in Berlin arbeitet. Lapa ist Portugiesin und lebt schon lange in Berlin. Als sie selbst Mutter wurde, hat sie zum ersten Mal bewußt wahrgenommen, was Geburtshilfe leisten kann – und wollte dann auch Hebamme werden. Es war ein langer Weg, doch sie hat es geschafft: Heute arbeitet Lapa in ihrem Traumberuf.

„Geburt, wir sind dafür vorbereitet – und gleichzeitig nicht.“

„Eine Geburt ist immer eine Grenzerfahrung, weil Du durch etwas durchgehst, was Du noch nie erlebt hast. Du kannst den Tod auch ganz nah spüren. Das ist etwas Seltenes und gleichzeitig auch Brutales. Am Ende hat es eine ganz eigene Schönheit, aber es ist immer eine große Herausforderung, auch für die Hebamme. Keine Geburt ist wie die andere.“

Traumberuf? „Du kannst nicht jeden Tag im Kreißsaal stehen und diesen Wahnsinn aushalten“, sagt Lapa heute. „Ich habe viel gelernt“. Vor allem war es für sie wichtig zu lernen , ihren Traumberuf in Maßen und mit etwas mehr Distanz auszuüben. Die Arbeit war zu intensiv.

„Du must 100% dabei sein – und 100% distanziert.“

In schwierigen Situationen muss sie immer einen klaren Kopf bewahren, auch wenn ein Geburtsvorgang immer extrem emotional ist. Lapa darf sich nicht zu stark darauf einlassen, um die Kontrolle über die Ereignisse behalten zu können. Von allen Seiten wird von ihr als Hebamme verlangt, jede Geburt vollständig zu beherrschen. Auch wenn das in letzter Konsequenz wahrscheinlich gar nicht möglich ist. Sie hat gelernt, Abstand zu gewinnen, sich auch einmal innerlich zu distanzieren und sich zwischendurch systematisch zu entspannen, den Kopf frei zu bekommen: „Viel Musik hören“, sagt sie, „viel zu Fuß laufen, das ist es.“

Sie hat auch die Arbeit im Kreißsaal selbst, unter der Geburt, etwas reduziert, hat dafür begonnen, freiberuflich Frauen in der Vorsorge und im Wochenbett zu betreuen. Hier hört sie Herztöne ab, hilft bei den Problemen, die in der Schwangerschaft auftreten können und nimmt die Sorgen und die Ängste rund um die baldige Geburt. Nach der Geburt badet sie mit den jungen Müttern das Neugeborene das erste Mal oder sie hilft bei Still- und Trinkproblemen. Bei diesen Arbeiten kann Lapa sich innerlich erholen, sie braucht diesen Ausgleich, um im Kreißsaal ihre Leistung so erbringen zu können, wie es notwendig ist und wie sie es von sich selbst verlangt.

„Die Hände müssen wissen, was sie tun.“

„Präzision, das Handwerk beherrschen, das ist etwas sehr Schönes. Der Kopf muss auch dabei sein, klar“, erzählt sie und betrachtet ihre Hände. „Ich wünsche mir für jede Frau und jedes Paar, daß sie gestärkt aus dem Kreißsaal herausgehen können und wissen, auch wenn es schwer war, sie haben diese Kraft gehabt und es ist etwas Positives daraus geworden. Dabei helfen zu können, bedeutet mir sehr viel.“

Lapa hat eine gute Balance gefunden, um mit den enormen Anforderungen umgehen zu können, die ihr Beruf an sie stellt. Sie hat es verstanden, ihre Erschöpfung rechtzeitig und richtig zu deuten, und sich zu „schützen“, wie sie sagt. Dadurch hat sie sich ihre Freude am Beruf erhalten können, genauso wie ihre offene, einfühlsame und hingebungsvolle Haltung gegenüber den Frauen und Paaren, die sie betreut.

„Im Vergleich zu einer portugiesischen Geburt,
ist eine deutsche Geburt eine schöne Erfahrung.“

In ein paar Jahren möchte Lapa zurück nach Portugal ziehen und in der Nähe des Meeres leben. Dort kann sie mit ihren Erfahrungen helfen die Geburtshilfe strukturell zu verbessern und „menschlicher zu gestalten. Das ist mein Traum“, sagt sie. Anders als in Deutschland, Skandinavien und den Niederlanden, haben Frauen in Portugal weniger Möglichkeiten, bei der Geburt individuell mitzubestimmen, der ganze Prozess ist viel autoritärer und krankenhausorientierter organisiert.

„Es wird einfach im Bett gelegen, es gibt eine PDA und es wird vielleicht ein Dammschnitt gemacht. Das sind so Dinge, die in Deutschland Gott sei Dank schon sehr anders geworden sind.“

„Meine Arbeit gibt mir viel.“

Gelernt hat Lapa durch ihre Arbeit noch mehr. Sie hat gelernt, wie unglaublich belastbar sie ist, wie gedankenschnell und wie geduldig sie sein kann. Geduld zu üben war immer schwierig für sie. „Meine Arbeit belohnt mich“, sagt sie und lächelt. „Sie gibt mir Selbstvertrauen und ich lerne unheimlich viel über mich. Sie gibt mir die Möglichkeit, meine Fähigkeiten zu beweisen.“

Nur in einer Sache kommt Lapa nicht weiter: „Was ich nie lernen werde zu verstehen, ist dieses Geheimnis des Lebens. Keine Ahnung. Da bin ich genauso fassungslos jedesmal, wie jeder andere.“ SJ