Gute Arbeit!

Dan Santucci, Santucci Cycles, Berlin

„Ich wollte ein BMX. Das wusste er.“

    Dan Santucci, Santucci Cycles, Berlin

„Ich wollte ein BMX. Das wusste er.“

    Dan Santucci sitz auf einem schönen Vintage-Sofa in seinem Geschäft an der Danziger Strasse in Berlin. Er liebt schöne Dinge, besonders schöne Fahrräder. Deshalb hat er seinen ziemlich guten Job hingeworfen und baut jetzt „Wunschfahrräder“ für seine Kunden. Damit hat er eine alte Leidenschaft wiederentdeckt, denn schon mit 9 Jahren, in New Jersey, wurde er ein „Fahrradschrauber“. „Es ist eine wahre Geschichte“, wie er sagt.

„Ich muss die Bedürfnisse meiner Kunden verstehen“. Dan Santucci spricht leise und lächelt dabei. Er hat einen wunderschönen, leichten und sehr anziehenden New Jersey Accent, wenn er in allerbestem Deutsch seine Geschichte erzählt. Er ist aus Liebe nach Berlin gekommen und aus Liebe zu seiner Frau, die er zärtlich „Lebensgefährtin“ nennt, hat er auch Deutsch gelernt. Er hatte über 10 Jahre einen tollen Job in einer Softwarefirma. „Eine gute Zeit“, wie er sagt, doch dann kam er, der „turning-point“.

„Ich habe bezweifelt, dass man davon leben kann.“

In seiner Freizeit hatte er irgendwann aus alter Liebe damit angefangen. Hin und wieder baute er sich ein ganz individuelles Fahrrad aus irgendeinem gebrauchten Rahmen, fuhr damit zum Job. „Wow“, raunten die Kollegen und es sprach sich herum: „Dieser Typ baut seine eigenen Fahrräder – und die sind schön.“

So kamen die ersten Aufträge herein, die er erst abends, dann nachts und später auch noch an den Wochenenden realisierte. Er spezialisierte sich immer mehr, fing an zu handeln, Teile zu importieren, die man sonst auf dem Markt nicht bekommen konnte. „Mit den Händen zu arbeiten, das war für mich wie Meditation, eine Auszeit vom beruflichen Alltag.“

„Schritt für Schritt, Kinderschritte. Babyschrittchen.“

Die Nachfrage stieg weiter und Dan Santucci suchte überall auf der Welt nach schönen Fahrradteilen. „Alles was in meine Geschmacksrichtung ging, war nur schwer oder gar nicht auf dem Markt zu bekommen. Ich dachte, ok, das muss ich ändern.“ Er baute seinen privaten Webshop auf, fing an, selbst Teile zu produzieren, die es sonst gar nicht gegeben hätte. „Es ist dann so über viele Jahre passiert“, wiegelt er ab, „es war nicht so geplant.“


Als Kind schon hatte er immer sein ganzes Geld gespart, um sein Fahrrad pflegen und verbessern zu können, damit fing er jetzt wieder an. Er lebte immer sparsamer, legte sein Geld zurück. Er musterte und analysierte den Markt und irgendwann war es dann soweit, trotz aller Vorsicht und Zweifel sagte er sich: „Sehr wenig Händler, sehr wenig Läden. Es läuft so gut, ich muss es jetzt ausprobieren.“

„Ich baue das auf. Es ist mein eigenes Ding.“

„Ich traute dem Geschäft nicht“, erklärt Dan Santucci mit hochgezogenen Augenbrauen und einem sehr vielsagenden Lächeln. „Wer sich selbstständig macht, muss viele Sachen erst mal lernen.“ Es war eine sehr aufreibende Zeit. „Wer so eine Firma aufbaut, gibt immer 150%. Wenn Du Deine Freizeit willst, musst Du Dir eine Vollzeitstelle suchen“, schnarrt er. „Ich musste eine Firma gründen, aus meiner Leidenschaft einen Beruf machen. Ich wollte hier Ordnung haben, an Fahrrädern arbeiten, Konzepte entwickeln.“

„Er hat es blau gesprüht. Immer noch meine Lieblingsfarbe.“

Als Dan Santucci an seinem 9. Geburtstag von seinen Eltern sein erstes Fahrrad geschenkt bekam, war er entsetzlich enttäuscht. „Es sah überhaupt nicht nach BMX aus“, erzählt er über das rostige, abgelegte Fahrrad das sein Vater irgendwo aufgelesen hatte.


Doch der hatte einen Plan: „Pass mal auf: Wir machen es Dir nagelneu“, hatte er lachend gerufen. „Das hab ich ihm echt nicht geglaubt“, erinnert sich Dan Santucci, „doch dann haben wir das komplett zerlegt, draussen im Garten, im Sommer. Wir haben zusammen alles neu gemacht und dann haben wir den Rahmen lackiert. Es ist meine erste Erinnerung daran, an einem Fahrrad zu basteln, ein Wunschfahrrad daraus zu machen. Noch heute, wenn ich die Werkstatt rieche, lebe ich in diesem Gefühl. Wenn ich hier bin habe ich auch keine Computer – ich lenke mich nicht ab.“

„Mit dieser Tätigkeit, die mir so viel Spass macht, gehe ich sehr vorsichtig um.“

Nicht, dass er in seinem alten Job keine eigenen Ideen umgesetzt hätte, aber hier, erklärt er, „baue ich ein Rad, das meinen Namen trägt, es ist ein Produkt von mir. Funktion und Design, ich versuche meine Räder bis ins kleinste Detail zu harmonisieren, so habe ich mich zum Beispiel entschieden, meine Schutzbleche von einer kleinen Firma in Frankreich fertigen zu lassen. Es gibt Nuancen, die nur ich sehen kann, aber ich sehe das.“

So entschieden und kompromisslos Dan Santucci in künstlerischer Hinsicht arbeitet, so zurückhaltend und vorsichtig geht er in wirtschaftlichen Belangen vor. „Ich bin sehr kalkuliert in meinen Schritten, ich versuche schon die Produktion leicht zu erhöhen, will aber nie dahin kommen, Massenware anzubieten.“

„Man kann nicht alles machen.“

„Die Menschen sind alle unterschiedlich, jeder sollte ein anderes Fahrrad haben, nach seinem eigenen Geschmack“, findet Dan Santucci. Er selbst will sich aber weiter fokussieren, ganz sicher nicht das Angebot erweitern und alles Mögliche bauen. „Ich mache mein Geschäft so ein bisschen mysteriös, mache es den Leuten schwer mich zu finden. Ich mache alles nur auf Termin. Ich habe keine transparenten Öffnungszeiten. Die interessierten Leute wollen aber rausfinden, was ich da mache.“ Und das gelingt ihnen dann auch.

„Ich hole meine Kinder gerne von der Schule ab.“

„Ich liebe es“, strahlt er, „dass ich jetzt meine jetzt Zeit selber gestalten kann. Ich stehe früh auf, bin früh da und mache meine Arbeit. Das ist was Schönes, ein freies Gefühl.“

Dan Santucci hängt es nicht groß auf, aber er genießt auch den Gedanken daran, etwas Sinnvolles zu tun, wenn er Fahrräder baut: „Radfahren ist gesund, ist für die Umwelt super. Ich habe gar kein Auto, ich fahre auch bei Regen oder Schnee, es stört mich gar nicht. Ich freue mich, dass immer mehr Menschen ein schönes Fahrrad wertschätzen können.“ SJ