Mit Freude wirtschaften: Roger Bundschuh, Bundschuh Architekten, Berlin „Es wird etwas Gebautes.“
Roger Bundschuh, Bundschuh Architekten, Berlin
„Es wird etwas Gebautes.“
Es ist hell, sehr schön hell bei Bundschuh Architekten. Tageslicht. Roger Bundschuh lächelt fein. „Ein ganz kleines Problem müssen wir noch lösen, dann geht es gleich los.“ Er flüstert fast, dreht sich um und ist weg. An mehreren Arbeitsplätzen in allen Winkeln des Erdgeschossbüros sitzen ziemlich konzentrierte junge Leute. Bundschuh läuft von einem zum anderen und erwägt verschiedene Vorgehensweisen. Dann entspannt sich seine Körpersprache und mit jugendlichem Schlaks kommt er zu uns an den Konferenztisch zurück. Wir wollen mit ihm über Arbeit sprechen, über seine Arbeit.
„Arbeit, Arbeit,…“ Bundschuh sucht nach ersten Worten. „Arbeit ist für mich ein so integraler Bestandteil meines Lebens, es fällt mir schwer, hier abzugrenzen. Was ist Arbeit, was ist Leben? Für mich ist die Arbeit das Leben!“ Gedanklich, beschreibt er, sei er eigentlich immer bei seinen Projekten. „Aber nur, weil ich es so will, weil es mir so viel Spass macht. Eigentlich bin ich immer am Arbeiten.“
„Ziemlich viel Glück und auch etwas Zufall.“
1996 kam Bundschuh als Architekt nach Berlin, seit gut 10 Jahren gibt es sein Büro in der heutigen Form. Bundschuh lehrt am Dessau Institute of Architecture und arbeitet sehr erfolgreich im Grenzbereich zwischen Kunst und Architektur. Eingeladen, für eine kleine Freifläche an der Torstrasse eigentlich nur eine Aussenskulptur zu entwerfen, wurde ihm 2006 ohne „entscheidendes eigenes Zutun“ die Chance eröffnet, statt dessen eine viel grössere Fläche zu beplanen, und zwar für ein Wohn- und Geschäftshaus, ein „Nischenprodukt im Immobilienmarkt“, wie er sagt, „Zielgruppe Kunstsammler“.
Es war ein viel beachteter Start: „Die relativ spezifische Form des Hauses hat im städtebaulichen Kontext eine gewisse Aufmerksamkeit erregt, durchaus kontrovers. Wir wurden nun als Architekturproduzenten wahrgenommen, das war sehr positiv“, berichtet er. „Das hat dann auch tatsächlich ganz direkt zu wirklichen Folgeaufträgen geführt. Seit dem sind wir hier am Rosa Luxemburg Platz, dieses Büro war unser Baubüro, wir sind einfach hier geblieben, wir lieben es hier.“
„Ich geniesse ein grosses Mass an Freiheit.“
Heute ist sein Arbeiten geprägt von einem spürbaren „Vertrauensvorschuss“ seiner Auftraggeber, erklärt er uns. „Die Bauherren fragen ein sehr spezifisches Produkt an, sie wollen eine Lösung, die eigens für sie erarbeitet ist, die aber gleichzeitig eine gewisse Handschrift hat. Diese Handschrift ist etwas, das nur durch Vertrauen und das Gewähren von Freiheit dann auch herzustellen ist.“
Bundschuh blinzelt ins Licht und reibt sich die Augen. „Und das Vertrauen ist etwas, das man sich immer wieder neu verdienen muss, wir müssen jedesmal beweisen, dass wir es verdient haben, dass man dieses Vertrauen in uns setzt – und zwar in allen Stufen des Planungsprozesses. Da kann es schwierige Probleme geben, es kann sehr viel schiefgehen.“
„Ein Grübler und Zweifler. Mit Begeisterung.“
Das frühzeitige Erspüren und vor allem das Bewältigen solcher Herausforderungen ist für Bundschuh aber nicht nur eine Rechtfertigung von erhaltenen Vertrauensvorschüssen, sondern vor allem eine sehr freudvolle Beschäftigung, es begeistert ihn richtig. „Ich habe irgendwann gemerkt: Was mir sehr grossen Spass macht, ist Probleme lösen. Es ist einfach etwas, was ich sehr gerne mache. Begeisterung“, findet er, „ ist mindestens genauso wichtig, wie wirkliches, richtiges Können in der Architektur. Die Begeisterung für Neues, Neues kennenzulernen, die Begeisterung, Neues zu hinterfragen und von jeder neuen Lösung, die noch ein kleines Wenig besser ist, wieder aufs Neue begeistert zu sein, das ist wahnsinnig wichtig, in dem was wir machen. Möglicherweise würde das anders ausschauen, wenn ich Probleme angehen müsste, die in ihrem Kern unlösbar sind, aber bei dem was ich mache, treten ja eigentlich ganz lösbare Probleme auf, die sogar noch den zusätzlichen Vorteil haben, dass die Lösung eine physische Manifestation hat. Es wird etwas Gebautes. Es ist etwas da zum Schluss. Das ist grossartig. Sehr sehr befriedigend.“
„Viele Architekten leiden. Gesunde Geltungssucht.“
Die zuletzt von Bundschuh gebaute physische Manifestation steht in der Michaelkirchstrasse in Berlin. Auch dort hat er ein Wohnhaus für ein Sammler – Ehepaar realisiert, neu ist hier, „dass wir eine Typologie genommen haben, die man üblicherweise eher in der Horizontalen findet, die Idee des französischen Hotel Partculier. Diese klassische Abfolge horizontalen Wohnens haben wir nach oben geklappt und damit ins Vertikale übersetzt: Der Innenhof ist unten, das Wohngebäude in der Mitte und der Garten ist auf dem Dach.“
Bundschuh lässt das Gesagte kurz wirken, erklärt dann, welche Hoffnungen er in das Gebäude setzt: „Wir machen hier ein Projektionsangebot. Es ist wichtig, dass eine individuelle Projektion stattfindet, dass sich also der einzelne Betrachter, der einzelne Nutzer von dem Gebäude persönlich angesprochen fühlt und dass es ihm idealerweise eine Frage stellt über seine Rolle im städtischen Leben.“ Das wäre für ihn ein schöner Erfolg, führt er aus. „Ich weiß, das viele Architekten glauben, mit ihrer Arbeit die Gesellschaft nachhaltig verändern zu können. Ich weiß es deshalb, weil ich es selber auch glaube. Tatsächlich wird es wohl so sein, dass es wahrscheinlich deutlich weniger der Fall ist, als wir uns das erhoffen. Ein Ziel haben wir auch schon erreicht, wenn es uns gelingt, solche Fragen aufzuwerfen.“
„Ich habs bis jetzt noch nicht bereut. Nicht nachhaltig bereut.“
Schon im Alter von 12 Jahren war es für Bundschuh klar, dass er Architekt werden würde. Heute verortet er sein Tun in einem weitaus komplexeren Betätigungsfeld, als er sich das damals vorgestellt hat. „Ich hatte gedacht, ich zeichne etwas, das jemand anders dann baut.
Tatsächlich geht es heute bei fast allen Projekten, auch in der Ausstellungsarchitektur, darum, Dinge ganz neu zu begreifen, neue räumliche Zusammenhänge zu schaffen. Ausserdem,“ setzt er einen kurzen Moment später mit hochgezogenen Augenbrauen wieder an: „Sofern man einen gewissen ästhetischen Anspruch realisieren möchte, wird man immer wieder neue, immer wieder bessere Lösungen suchen müssen. Betriebswirtschaftlich ist das ein zusätzlicher, erhöhter Aufwand, der dazu führt, dass man mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht reich wird. Architekt zu sein, ist deshalb auch für mich ein nicht ganz so einträglicher Beruf, wie ich vielleicht anfänglich dachte.“
Bundschuh legt beide Hände nebeneinander auf den Tisch und betrachtet sie mit liebevoller Fürsorge. Dann holt er sehr tief Luft, beginnt genussvoll zu lächeln und lässt sich sein Fazit auf der Zunge zergehen: „Ich gehe davon aus, dass ich, solange ich kann, ins Büro gehen werde und ich gehe davon aus, dass ich, solange ich kann, damit Geld verdienen werde und bedauerlicherweise gehe ich davon aus, dass das auch notwendig sein wird.“ SJ